Universales Weltwissen. Geschichte, Theorie und Praxis der Enzyklopädie von Tempellisten auf Stein bis zur digitalen Wikipedia

  • Typ: Hauptseminar (HS)
  • Lehrstuhl: KIT-Fakultäten - KIT-Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften - Institut für Technikzukünfte - Geschichte
  • Semester: WS 21/22
  • Zeit: Do 21.10.2021
    12:00 - 13:30, einmalig


    Do 16.12.2021
    12:00 - 13:30, einmalig

    Sa 26.02.2022
    09:00 - 19:00, einmalig
    30.91 Raum 012
    30.91 Franz-Schnabel-Haus

    So 27.02.2022
    09:00 - 19:00, einmalig
    30.91 Raum 012
    30.91 Franz-Schnabel-Haus


  • Dozent: Christian Vater
  • SWS: 2
  • LVNr.: 5012053
Inhalt

 ‚Wissen‘ ist einer der zentralen Begriffe der westlich-europäischen Tradition und für die Lebenshaltung der ‚wissenschaftlichen Weltsicht‘ charakteristisch. Was aber genau das sei, das ‚Wissen‘, und was es bedeutet ‚etwas zu wissen‘, ist bis heute nicht endgültig geklärt. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass genau mit dieser Frage nach Wissenskriterien und Geltungsansprüchen Wissenschaftlichkeit beginnt. Ein Pfad zum Wissen-über-das-Wissen ist die Untersuchung der Praktiken, die mit Wissen verbunden sind, und den Artefakten, anhand derer diese vollzogen werden: ‚Wissen‘ wird gesammelt, geprüft, vermittelt, gespeichert, übertragen, revidiert, archiviert, zerstört, vergessen, wiederentdeckt, rekonstruiert. Kurz: nimmt man diesen Blickwinkel ein, sieht ‚Wissen‘ ‚gemacht‘ aus. Auf eine nicht-triviale Weise arbeiten wir Menschen als Träger von Wissen in Forscher*innengemeinschaften, die von Wissenskulturen zusammengehalten werden, und in denen wir gleichzeitig Träger und Hersteller von Wissen als Abbild und als Produkt sind. Die für uns hier einschlägigen Artefakte sind so historisch vielfältig wie Herrschaftslisten auf dem Stein alter Tempel, bröckelige Thesauri auf Papyrusrollen, Chroniken auf reich geschmückten Pergamentcodizes oder der gedruckte Brockhaus in 24 Leinenbänden mit sechs Erweiterungen. Archetypisch für uns ist die ‚revolutionäre‘ Enzyklopädie, deren Anspruch (erstmalig?) gleichzeitig lebensweltlich wie universell war. Im Hauptseminar werden wir – immer mit Blick auf die Enzyklopädie – die Geschichte des Geschriebenen und Gedruckten verfolgen, und uns dabei die Form verschiedener Textgattungen, die Gestaltung verschiedener Orte und den Nachvollzug verschiedener Praktiken auch in Wechselwirkung zu den gegebenen historischen Materialien und technischen Mitteln anschauen. Der Kurs schneidet also die Geschichte des Geschriebenen mit der Geschichte der Bibliothek anhand des Fallbeispiels enzyklopädischer Texte. Ziel ist es, sich durch den Nachvollzug der Genese eines Texttyps ein Gespür für die Wechsel- und Wandelprozesse eines (Wissens-)Mediums zu erarbeiten – auch als Orientierungsangebot für das Verständnis und die Vermittlung der Digitalisierung als rezenten Prozesses, dessen nicht unwesentliches Element die ‚Demokratisierung‘ der Enzyklopädie durch die digitale, dynamische, prinzipiell globale Wikipedia ist.

Das Seminar richtet sich generell an alle interessierten Studierenden und kann im Studiengang EUKLID im Rahmen des Moduls „Ideen, Begriffe, Konzepte“ als Veranstaltung für IDEE (Ideen, Begriffe, Konzepte) I + II oder im Rahmen des Moduls „Kulturgeschichte der Technik“ als Veranstaltung für KGT I + II besucht werden. Die Studienleistung wird in IDEE I oder KGT I als Impulsreferat mit Handout erbracht, in IDEE II oder KGT II ergänzt durch ein schriftliches Abstract inklusive Literaturrecherche, nachgewiesen als geordnete Literaturliste. Die Referate werden prinzipiell in der Sprechstunde eine Woche vor Termin vorbesprochen, die schriftlichen Leistungen sind im Regelfall bis Semesterende einzureichen.

 

‚Wissen‘ ist einer der zentralen Begriffe der westlich-europäischen Tradition und für die Lebenshaltung der ‚wissenschaftlichen Weltsicht‘ charakteristisch. Was aber genau das sei, das ‚Wissen‘, und was es bedeutet ‚etwas zu wissen‘, ist bis heute nicht endgültig geklärt. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass genau mit dieser Frage nach Wissenskriterien und Geltungsansprüchen Wissenschaftlichkeit beginnt. Ein Pfad zum Wissen-über-das-Wissen ist die Untersuchung der Praktiken, die mit Wissen verbunden sind, und den Artefakten, anhand derer diese vollzogen werden: ‚Wissen‘ wird gesammelt, geprüft, vermittelt, gespeichert, übertragen, revidiert, archiviert, zerstört, vergessen, wiederentdeckt, rekonstruiert. Kurz: nimmt man diesen Blickwinkel ein, sieht ‚Wissen‘ ‚gemacht‘ aus. Auf eine nicht-triviale Weise arbeiten wir Menschen als Träger von Wissen in Forscher*innengemeinschaften, die von Wissenskulturen zusammengehalten werden, und in denen wir gleichzeitig Träger und Hersteller von Wissen als Abbild und als Produkt sind. Die für uns hier einschlägigen Artefakte sind so historisch vielfältig wie Herrschaftslisten auf dem Stein alter Tempel, bröckelige Thesauri auf Papyrusrollen, Chroniken auf reich geschmückten Pergamentcodizes oder der gedruckte Brockhaus in 24 Leinenbänden mit sechs Erweiterungen. Archetypisch für uns ist die ‚revolutionäre‘ Enzyklopädie, deren Anspruch (erstmalig?) gleichzeitig lebensweltlich wie universell war. Im Hauptseminar werden wir – immer mit Blick auf die Enzyklopädie – die Geschichte des Geschriebenen und Gedruckten verfolgen, und uns dabei die Form verschiedener Textgattungen, die Gestaltung verschiedener Orte und den Nachvollzug verschiedener Praktiken auch in Wechselwirkung zu den gegebenen historischen Materialien und technischen Mitteln anschauen. Der Kurs schneidet also die Geschichte des Geschriebenen mit der Geschichte der Bibliothek anhand des Fallbeispiels enzyklopädischer Texte. Ziel ist es, sich durch den Nachvollzug der Genese eines Texttyps ein Gespür für die Wechsel- und Wandelprozesse eines (Wissens-)Mediums zu erarbeiten – auch als Orientierungsangebot für das Verständnis und die Vermittlung der Digitalisierung als rezenten Prozesses, dessen nicht unwesentliches Element die ‚Demokratisierung‘ der Enzyklopädie durch die digitale, dynamische, prinzipiell globale Wikipedia ist.

Das Seminar richtet sich generell an alle interessierten Studierenden und kann im Studiengang EUKLID im Rahmen des Moduls „Ideen, Begriffe, Konzepte“ als Veranstaltung für IDEE (Ideen, Begriffe, Konzepte) I + II oder im Rahmen des Moduls „Kulturgeschichte der Technik“ als Veranstaltung für KGT I + II besucht werden. Die Studienleistung wird in IDEE I oder KGT I als Impulsreferat mit Handout erbracht, in IDEE II oder KGT II ergänzt durch ein schriftliches Abstract inklusive Literaturrecherche, nachgewiesen als geordnete Literaturliste. Die Referate werden prinzipiell in der Sprechstunde eine Woche vor Termin vorbesprochen, die schriftlichen Leistungen sind im Regelfall bis Semesterende einzureichen.

VortragsspracheDeutsch
Literaturhinweise

Überblick:

Damerow, Peter/Englund, Robert K./Nissen, Hans Jörg (1988b): „Die Entstehung der Schrift“, in: Spektrum der Wissenschaft Februar 1988, 90-101.

Gouws, Rufus H./Schweickard, Wolfgang/Wiegand, Herbert Ernst (2014): „Lexicography through the ages. From the early beginnings to the electronic age“, in: Wiegand, Herbert Ernst (Hg.), Wörterbücher|Dictionaries|Dictionnaires. An International Encyclopedia of Lexicography. Supplementary Volume: Recent Developments with Focus on Electronic and Computational Lexicography, Berlin/Boston (=Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft HSK 5/4), S. 1-24.

Hausmann, Franz (1989): „Die gesellschaftlichen Aufgaben der Lexikographie in Geschichte und Gegenwart“, in: Hausmann, Franz Josef/Reichmann, Oskar/Wiegand, Herbert Ernst/Zgusta, Ladislav (Hgg), Wörterbücher|Dictionaries|Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, Berlin/New York, S. 1–19. (=Handbuch Sprach- und Kommunikationswissenschaft HSK 5/1)

van Dijk, Ziko (2021), Wikis und die Wikipedia verstehen. Eine Einführung, Bielefeld. (=Edition Medienwissenschaft 87)

 

Hintergründe:

Böttner, Michaela/Lieb, Ludger/Vater, Christian/Witschel, Christian (Hgg.) (2017), 5300 Jahre Schrift, Heidelberg.

Bolter, David Jay (1991), Writing space. The computer, hypertext, and the history of writing, Hillsdale (NJ). (=2. erw. u. überarb. 2001 mit Untert. „Computers, Hypertext, and the Remediation of Print“)

Damerow, Peter/Lefèvre, Wolfgang (Hgg.) (1981), Rechenstein, Experiment, Sprache. Historische Fallstudien zur Entstehung der Exakten Wissenschaften, Stuttgart.

Gelb, Ignace Jay (1952), A Study of Writing. A discussion oft he general principles governing the use and evolution of writing, Chicago.

Goody, Jack (1977), The Domestication oft the Savage Mind, Cambridge. (=Themes in Social Science)

Jochum, Uwe (2010), Geschichte der abendländischen Bibliotheken, Darmstadt.

Köller, Wilfried (2006), Narrative Formen der Sprachreflexion. Interpretationen zu Geschichten über Sprache von der Antike bis zur Gegenwart, Berlin u.a. (Studia Linguistica Germanica 79)

 

Ergänzungen:

Borst, Arno (1960), Der Turmbau zu Babel. Geschichte der Meinungen über Ursprung und Vielfalt der Sprachen und Völker. Bd. 3: Umbau, Stuttgart.

Gouws, Rufus H./ Tarp, Sven (2017): „Information overload and data overload in lexicography“, in: International Journal of Lexicography 30(4), S. 389–415.

Hupka, Werner (1989): „Das enzyklopädische Wörterbuch“, in: Hausmann, Franz Josef/Reichmann, Oskar/Wiegand, Herbert Ernst/Zgusta, Ladislav (Hgg.), Wörterbücher|Dictionaries|Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, Berlin/New York, S. 988–999. (=Handbuch Sprach- und Kommunikationswissenschaft HSK 5/1)

Lender, Winfried (2014): „The early history of computational lexicography. The 1950s and 1960s“, in: Wiegand, Herbert Ernst (Hg.), Wörterbücher|Dictionaries|Dictionnaires. An International Encyclopedia of Lexicography. Supplementary Volume: Recent Developments with Focus on Electronic and Computational Lexicography, Berlin/Boston (=Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft HSK 5/4), S. 969-982.

Scholze-Stubenrecht, Werner (1989): „Das Bildwörterbuch“, in: Hausmann, Franz Josef/Reichmann, Oskar/Wiegand, Herbert Ernst/Zgusta, Ladislav (Hgg.), Wörterbücher|Dictionaries|Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, Berlin/New York, S. 1103–1112. (=Handbuch Sprach- und Kommunikationswissenschaft HSK 5/1)

Storrer, Angelika (2018): „Web 2.0. Das Beispiel Wikipedia“, in: Birkner, Karin/Janich, Nina (Hgg.), Handbuch Text und Gespräch, Berlin/Boston, S. 398-418.

Wolski, Werner (1989): „Das Lemma und die verschiedenen Lemmatypen“, in: Hausmann, Franz Josef/Reichmann, Oskar/Wiegand, Herbert Ernst/Zgusta, Ladislav (Hgg.), Wörterbücher|Dictionaries|Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, Berlin/New York, S. 360–371. (=Handbuch Sprach- und Kommunikationswissenschaft HSK 5/1)